10 Jahre Forensische Psychiatrie in Köln-PorzLeben und Arbeiten hinter Gittern
In dieser Multimedia-Reportage kommen Patienten und Beschäftigte zu Wort. Die interviewten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten alle schon viele Jahre in der LVR-Klinik. Die meisten sind seit der Eröffnung 2009 dabei.
Keine Häftlinge, sondern Patienten
Zum Tatzeitpunkt waren sie vermindert oder nicht schuldfähig. Da sie eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, hat ein Gericht ihre Unterbringung in der Forensischen Psychiatrie, im Maßregelvollzug, angeordnet.
Ein ganz besonderes Krankenhaus
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in multiprofessionellen Teams. Neben dem Einsatz von Medikamenten wenden die Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychologinnen und Psychologen, die eine forensische Zusatzausbildung absolvieren mussten, ein breites Repertoire von Behandlungsmethoden wie Verhaltenstherapie, Schematherapie, Gruppen- und Einzelgespräche an. Durch die Pflegeteams erfolgt auf den Stationen Sozio-Milieutherapie. Außerdem wird die Behandlung durch verschiedene Co-Therapien wie Bewegungs-, Kunst-, Ergo- und Arbeitstherapie ergänzt.
"Ich hätte vielleicht schon früher draußen sein können, aber ich brauchte die Jahre"
Im O-Ton berichtet ein Patient, der seit 10 Jahren in der LVR-Klinik untergebracht ist und kurz vor der Entlassung steht, von seiner persönlichen Therapie.
Gerade an diesem Ort ist Seelsorge wichtig
Alle 14 Tage lädt der Diplom-Theologe und Pastoralreferent außerdem zum Gottesdienst in die Kapelle der Forensischen Psychiatrie ein. Was ihn bei seiner Arbeit motiviert, erzählt er im O-Ton.
Das Leben trainieren
Im Sozialzentrum können Patienten ihre Freizeit verbringen. Sie haben es mit eingerichtet und gestaltet. Das Prinzip, die Patienten an bestimmten Entscheidungen zu beteiligen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Forensische Psychiatrie in Köln-Porz.
Im gleichen Team spielen
Die Patienten sollen die Möglichkeit haben, sich auszupowern und Aggressionen abzubauen. Anderen Patienten helfen die Mannschaftssportarten, sich zu öffnen und stärker aus sich herauszukommen.
"Ich begegne den Patienten noch mehr auf Augenhöhe als andere Therapeuten", sagt Stav Bar-Hod. Warum das so ist, erklärt er im O-Ton.
Der Weg in die Freiheit
Der Weg dorthin beginnt mit schrittweisen Lockerungen. Wann ein Patient entlassen wird, entscheidet ein Gericht unter Einbeziehung der Klinikexpertise. In der LVR-Klinik in Köln-Porz bleiben die Patienten im Durchschnitt für 7 Jahre.
Viele der weitgelockerten Patienten werden in die LVR-Klinik in Köln-Merheim auf eine forensische Rehastation verlegt. Hier werden sie intensiv vorbereitet auf die Zeit nach dem Maßregelvollzug – Wohnsituation, berufliche Aktivitäten, Freizeitgestaltung und viele andere Dinge.
Was ist Maßregelvollzug?
Eine solche Behandlung kann von einem Gericht alternativ zum Strafvollzug zwangsweise angeordnet werden. Dies geschieht, wenn die Richter die Gefahr sehen, dass diese Menschen aufgrund ihrer Erkrankung wieder Straftaten begehen könnten und sie daher für die Allgemeinheit gefährlich sind. In diesen Fällen spricht man von Maßregeln und deren Umsetzung (Vollzug).
Die Behandlung von psychisch kranken Straftäterinnen und Straftätern erfolgt nicht im Gefängnis, sondern in psychiatrischen Krankenhäusern mit spezialisierten Maßregelvollzugsabteilungen, sogenannten forensischen Krankenhäusern bzw. Maßregelvollzugskrankenhäusern. Im Rheinland übernehmen bisher sechs psychiatrische Krankenhäuser des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) diese Aufgabe – eine davon befindet sich in Köln-Porz.
Der Maßregelvollzug ist Teil der „forensischen“ (gerichtlichen) Psychiatrie. Es geht um Diagnostik, Behandlung und die Gefährlichkeitseinschätzung der untergebrachten Straftäterinnen und Straftäter.
Welche Krankheiten und Störungen haben die Patienten der LVR-Klinik in Köln-Porz?
Persönlichkeitsstörungen: Störungen, die sich in schweren Problemen der zwischenmenschlichen Kontaktfähigkeiten äußern. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind in ihrem inneren Erleben und Verhalten dauerhaft gestört. Betroffen sind die Gefühle, das Denken, das Erleben, die zwischenmenschlichen Beziehungen und die Kontrolle von Impulsen.
Intelligenzminderung: Manche Menschen mit einer intellektuellen Minderbegabung sind nicht in der Lage, die Regeln des menschlichen Zusammenlebens zu lernen und zu befolgen. Sie sind auch nicht fähig, angemessene zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln. In der Folge kann es zu unterschiedlichen Straftaten kommen. Oft können sie aufgrund ihrer Einschränkung das Unrecht der Tat nicht erkennen.
Suchterkrankungen: Menschen mit einer Abhängigkeit von Alkohol und/oder Drogen geraten häufig mit dem Gesetz in Konflikt, weil sie kriminell werden, zum Beispiel um an das Geld für Drogen zu kommen oder weil sie mit Drogen handeln.
Welche Straftaten haben die Patienten der LVR-Klinik in Köln-Porz begangen?
O-Ton: Chefarzt Dr. Herbert Meurer
O-Ton: Oberarzt Dr. Wilhelm Prange
Je nach Patient und Delikt kann diese Arbeit sehr unterschiedlich aussehen, erklärt Oberarzt Dr. Wilhelm Prange im O-Ton.
O-Ton: Offene Kommunikation
Inzwischen hat sich die Situation entspannt, erzählt Bernd Gerhards im O-Ton. Die Klinik ist auf ihre Nachbarn zugegangen. Schon vor der Eröffnung wurden rund 2300 Bürgerinnen und Bürger durch den Neubau geführt. Ein vielfältig besetzter Forensikbeirat ist kontinuierlich in die Arbeit der Klinik eingebunden.
O-Ton: Sichere Stationen
Im O-Ton erklärt er, was das sogenannte Safewards-Modell ist, das vor zwei Jahren in der Klinik eingeführt wurde und bei dem ehemalige Patienten als Genesungshelfer die Therapeutinnen und Therapeuten bei ihrer Arbeit unterstützen.
O-Ton: Fliegerbombe gefunden
Wie dieser logistische Kraftakt gelang und warum die Klinik an diesem Tag 150 Pizzen bestellen musste, erzählt Bernd Gerhards im O-Ton.
O-Ton: Andrea Trost, Stabstelle Pflegeentwicklung und -wissenschaft
Als die Klinik 2009 eröffnet wurde, hatte gerade mal ein Drittel der Pflegekräfte Forensik-Erfahrung. Zunächst standen deshalb Themen wie Sicherheit im Fokus. Seither hat sich die Pflege inhaltlich und fachlich deutlich weiterentwickelt.
O-Ton: Pflegerischer Stationsleiter Tobias Weser
O-Ton: Diplom-Sozialarbeiterin Alexandra Hockel
O-Ton: Diplom-Sozialarbeiter Marcel Wiwie
Der Diplom-Sozialarbeiter Marcel Wiwie hat gemeinsam mit seiner Kollegin eine Angehörigengruppe ins Leben gerufen. Was dort besprochen wird und welche Fragen viele Angehörige haben, erzählt er im O-Ton.
O-Ton: Ergotherapeutin Heike-Maria Vennes
Die Ergotherapeutin und Fachkraft für Maßregelvollzug meint damit nicht nur die handwerklichen, sondern vor allem auch die sozialen Fähigkeiten. Die Patienten lernen während der Arbeit beispielsweise mit Frustration und Kritik umzugehen.
Gespräch der Ergotherapeutin Heike-Maria Vennes mit einem Patienten
Wie dieser Prozess abläuft, zeigt ein Gespräch der Ergotherapeutin Heike-Maria Vennes mit einem Patienten ...
O-Ton: Oberarzt Dr. Wilhelm Prange
Lockerungen werden nicht automatisch gewährt. Sie stehen in engem Zusammenhang mit dem Erfolg der Therapie und werden für jeden Patienten individuell geprüft. Wichtigstes Kriterium ist dabei, dass eine Gefährdung der Bevölkerung nach bestem ärztlichen und therapeutischen Wissen ausgeschlossen werden kann.
O-Ton: Patient
Im O-Ton erzählt ein Patient, wie es sich anfühlt, nach vielen Jahren hinter Gittern wieder mit dem Leben in Freiheit konfrontiert zu werden.